Zu den beeindruckendsten Erlebnissen der Pilgerfahrt der deutschen Ortsbischöfe ins Heilige Land in diesem Frühjahr gehörte der Besuch des Sees Genesareth. Die heutige Stelle aus dem heiligen Evangelium wurde geradezu augen- und sinnenfällig: Damals lagen zwei Boote am See. Die Fischer waren wohl gerade ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Sie gingen ihrer geregelten Arbeit nach. Nichts unterschied sich bisher bei den Zeitgenossen Jesu von einem gewöhnlichen Tagesablauf.
Da aber greift Jesus ein. Er bittet Petrus, seine Arbeit zu unterbrechen und ein Stück weit vom Land abzustoßen, damit er von dort aus besser die am Seeufer wartenden Menschen erreichen konnte. Er predigt, und die Menschen hören zu.
Danach aber geschieht das Außergewöhnliche: Er fordert Petrus auf, gegen alle Erfahrungen und Gewohnheit, noch einmal auf den See hinaus zu fahren und die Netze auszuwerfen! Der Protest bleibt nicht aus: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ (Lk 5, 5).
Liebe Weihekandidaten, genau das ist Ihre Situation! Sie haben bis zu Ihrer Berufung ein alltägliches Leben gelebt, das sich nicht sehr von dem der anderen unterschieden hat. Einige von Ihnen hatten ganz normale Berufe: zum Beispiel Gärtner oder Krankenpfleger. Sie haben viele Predigten gehört und sich um ein christliches Leben bemüht.
Dann aber erfolgte irgendwann einmal der Ruf: „Duc in altum! Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus!“ (Vgl. Lk 5, 4).
Vielleicht haben Sie auch wie Petrus gesagt: Was soll das? Wir haben uns schon redlich bemüht, unsere erworbenen Kenntnisse eingesetzt und hatten doch keinen Erfolg. Ja, macht es denn heute noch Sinn, Menschenfischer zu werden?
Wie Petrus sind Sie aber nicht im Protest stecken geblieben, sondern haben hinzugefügt: „Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.“
Sie wissen aus diesem Evangelium, dass sich der reiche Fischfang einstellte und Petrus über dieses Geschehen vor dem Herrn in die Knie sank. Aber die bange Frage so mancher in diesem Dom, vielleicht gerade auch bei Ihren Eltern und nächsten Angehörigen mag jetzt lauten: „Geschieht dieses Wunder auch bei Euch?“
Ja, liebe Eltern, liebe Verwandte und Freunde, der reiche Fischfang wird sich einstellen! Vielleicht nicht in einem sichtbaren pastoralen Erfolg, nicht in vielen Konversionen, Bekehrungen, Taufen und blühender Jugendarbeit, die wir uns alle wünschten. Der Erfolg wird sich nach der Maßgabe Gottes einstellen.
Am Anfang der Berufungsgeschichte steht das beglückende Erleben, dass Gott wirklich Herr der Geschichte ist und uns in seiner Liebe durch das Leben trägt – er kann, wenn er will, auch heute den reichen Fischfang bewirken – und er tut es auch, vielleicht bemerken wir es oft gar nicht. Dann aber fordert er unsere Treue und unseren Gehorsam in eine unbedingte Nachfolge ein, die nicht nach Erfolg, irdischem Glück oder Wohlfahrt ausgerichtet sein kann.
Als ich am See Gennesaret an der Stelle stand, wo Jesus den Simon zum Fischfang aufgefordert hatte, da habe ich an diese Stunde in unserem Dom gedacht. Ich habe an die Männer gedacht, die sich auf das Wort Jesu verlassen: „Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus!“ Es gehören Vertrauen und Mut dazu, sich selbst los zu lassen und sein ganzes künftiges Leben in die Arme Jesu zu legen. Es gehört Mut dazu, auf des Herrn Mitgehen zu vertrauen, ohne selbst den reichen Fischfang erwarten zu dürfen!
Vor wenigen Tagen hatten wir im Bistum Würzburg einen ungewöhnlichen Besuch: Der Schrein mit den Gebeinen der Heiligen Therese von Lisieux (1873-1897) hatte in Rödelmaier, Himmelspforten und in Zellingen Station gemacht. Die Karmelitinnen begrüßten voll Freude mit vielen, vielen Gläubigen die „Heilige des Atomzeitalters“ – wie sie oft genannt wird.
Sie war nicht nur die kindliche Beterin, die ‚Rosen vom Himmel werfen’ wollte. Die vertrauensvolle Kindlichkeit war vielmehr nur ein Wesenszug an ihr. Sie litt unter einer schweren Krankheit und vor allem zeitweilig unter Glaubenszweifeln und Ängsten. Sie rang um ihren Platz in der Kirche. Und sie fand ihn: als Herz der Liebe Jesu im Herzen der Kirche.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir brauchen Zeugen der Liebe Gottes in unseren Tagen! Wir brauchen junge Menschen, die gegen den Strom der Zeit schwimmen und sich in ihren Lebensentscheidungen, im Verzicht auf Ehe und Familie, im Verzicht auf die Verwirklichung eigener Pläne ganz auf die reale Gegenwart Jesu Christi verlassen. Nur wer wirklich auf sein Wort hin auf den See hinausfährt und seine Lebensnetze auswirft, kann die Wahrheit dieses Anspruches erleben und erlebbar machen.
Diese Priesterweihe macht auch aus diesen Männern keine ‚Supermenschen’. Im Römerbrief hörten wir ja gerade: „Strebt nicht über das hinaus, was euch zukommt, sondern strebt danach, besonnen zu sein, jeder nach dem Maß des Glaubens, das Gott ihm zugeteilt hat.“ (Röm 12, 3). Wir bleiben auch als geweihte Priester einfache, schlichte Menschen, die der Annahme durch andere bedürfen. Wir bleiben schwach und fehlerhaft. Aber gerade darin kann sich die Stärke Gottes erweisen und der von IHM geschenkte reiche Fischfang einstellen.
Nach dem „Ich bin bereit!“ brauchen wir nur unsere Herzen offen zu halten und Gott in uns und durch uns wirken zu lassen. ER segnet, heiligt und weiht.
Mögen wir – wie der heilige Petrus – in dieser Stunde zu sagen vermögen: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ (Apg 10, 34). Amen.
(2207/0827)