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Buchseiten bilden ein Herz

„Die Ereignisse der Geschichte vor Gott bringen“

Predigt von Weihbischof Helmut Bauer bei der Maiandacht am Sonntag, 13. Mai, in der Würzburger Seminarkirche Sankt Michael

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

„Maria bewahrte alles in ihrem Herzen und dachte darüber nach“. (Lk 2.19).

So heißt es am Ende der Geburtsgeschichte Jesu. So heißt es auch nach der Rückkehr am Ende der Wallfahrt mit dem zwölfjährigen Jesus nach Jerusalem. Es ist eine nachdenklich machende Bemerkung über Maria und über ihre Art, mit den Ereignissen in ihrem Leben umzugehen. Bewahren und Nachdenken: Ist Maria mit dieser Geisteshaltung ein Vorbild der Berufenen, wie wir sie in den Maiandachten in diesem Jahr in der Michaelskirche benennen? O ja! Denn woraus wächst eine Berufung?

Aus dem Geschenk von Erfahrungen in der Kindheit, in den Jugendjahren. Maria hat auch ihre Erfahrungen mit Gott gemacht und sie gesammelt in ihrem Gedächtnis, noch mehr im Herzen. Was steht also am Anfang unseres Glaubensweges, unserer Berufung? Nicht die eigene Anstrengung, sondern vielmehr die Erfahrungen, Begebenheiten, in denen Gott sich in kindlichen, jugendlichen Seelen bemerkbar macht. Wir sind doch alle gleichsam auch hier auf der „Sammler-Stufe“ unserer menschlichen Entwicklung. Wir haben an unseren Eltern den Glauben, Gott, Jesus erlebt. Ich nenne zwei Begebenheiten aus meiner Kindheit: Ich sehe noch meinen Vater, wie er vor dem ersten Schnitt des Kornfeldes das Kreuzzeichen macht und sagt: „in Gottes Namen“. Oder: Ich spüre noch das ungemein lichte Erlebnis: Ich bin als Kleinkind am Sonntagmorgen im Hof bei der Oma, die Leute sind alle im Sonntagsgottesdienst. Die Glocken läuten zur Wandlung. Die Oma sagt: „Bub, jetzt ist Wandlung, komm, wir knien uns hin.“ In einer kindlichen Seele sammeln sich solche Erlebnisse. Oder: 1944 – hier in der Michaelskirche – Maiandacht. Diese Kirche ist dicht gefüllt mit Menschen. Man spürt ihre Trauer, viele haben Söhne, Männer, Väter verloren. Ich durfte als 11-jähriger das Abendlied singen: „Bevor ich mich zur Ruh begeb’“. Man spürte das Schluchzen der Frauen, Mütter, Bräute und alter Männer. Man spürte aber auch das gläubige Vertrauen zur Gottesmutter. Ich muss sagen: Aus solchem Bewahren dieses Erlebnisses in der Seele entstand ein wunderbares Gottes- und Marienbild. Maria hat in ihren Kindheits- und Jugendtagen viele solche Erlebnisse gehabt und im Herzen bewahrt. Wie soll aber eine Berufung heute werden, wenn Kinder, junge Menschen nicht mehr solche seelischen Erfahrungen machen können? Am Werden und Wachsen eines Priesterberufes, eines Ordensberufes, einer christlichen Berufung überhaupt steht das Vor-Bild. Bilder, die sich tief einprägten in die kindliche Seele. Das heißt: solche Erfahrungen sind aber zunächst Geschenke, bei denen Gott und Menschen mitgewirkt haben.

„Und sie dachte darüber nach ...“

Das ist gleichsam der aktive Eigenteil am Werden einer Berufung, eines priesterlichen Weges, einer Entscheidung für den Ordensstand. Maria hat nicht einfach die Geschehnisse registriert, über sich ergehen lassen. Sie dachte nach oder – wie es auch zuweilen übersetzt wird: „Sie erwog sie in ihrem Herzen“. Maria ging sicher nachdenklich als junges Mädchen, als junge Frau in ihr Leben. Sie dachte nach, welchen Sinn denn die Ereignisse haben, was Gott wohl mit den Geschehnissen und Vorgängen wollte und beabsichtigte. Sie tat das natürlich auf die beste Art, tief über die Geschehnisse nachzudenken: Sie tat es im Gebet. Das Gebet Mariens war immer ein Bedenken ihrer Wirklichkeit und der Wirklichkeit der Welt vor Gott. Das ist ja das eigentliche Herzstück des christlichen Betens: nicht Worte zu lallen, sondern sich und die Welt, die Ereignisse der Geschichte vor Gott zu bringen und sie bedenken, lobend, staunend, auch in Angst und Sorge. Das ist gleichsam der aktive, unser Teil am Werden einer Berufung. Ohne das betrachtende, bedenkende Gebet gibt es keine Gottesbegegnung, ohne Meditation kommt man nicht in die Mitte. Ohne Mystagogie, das heißt, alles vor Gott im Angesichte Jesu zu betrachten, zu durchdenken, gibt es keinen priesterlichen Weg. Deswegen ist dieses Schriftwort die Wegweisung für das Erfassen der Berufung. Maria ist das Vorbild für einen Berufungsweg in ihrem Bewahren, in ihrem Bedenken. Amen.

(2107/0789)