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Buchseiten bilden ein Herz

Die Sprache der Liebe

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Pfingstsonntag, 27. Mai 2007, zum bundesweiten Abschluss der Renovabis-Pfingstaktion im Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

am heutigen Pfingstsonntag, dem Fest des Heiligen Geistes, feiern wir zugleich den Abschluss der diesjährigen Hilfsaktion „Renovabis“ in Deutschland. Beides geht gut zusammen: Der Heilige Geist, das innerste Geheimnis Gottes, ist zugleich Herz Gottes und die äußerste Gabe Gottes für die Welt.

Die Solidaritätsgemeinschaft Renovabis ist ein im März 1993 auf Initiative des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und der Deutschen Bischofskonferenz gegründetes Hilfswerk als „eine Antwort der deutschen Katholiken auf den gesellschaftlichen und religiösen Neuanfang in den Staaten des ehemaligen Ostblocks nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme“ (Gründungstext).

Wir dürfen an die Kraft des Heiligen Geistes glauben. Wenn wir darum um sein Kommen bitten, wissen wir, dass es Auswirkungen in unser kirchliches und gesellschaftliches Handeln hat.

In der ersten Lesung (Apg 2,1-11) hörten wir vom Pfingstereignis in der Urkirche. Maria, die Gottesmutter, wurde zusammen mit den Aposteln vom Heiligen Geist erfüllt. Die Konsequenz: Sie konnten in fremden Sprachen reden, so „wie es der Geist ihnen eingab“ (Apg 2,4). Jeder verstand die begeisterten Apostel in der eigenen Sprache. Das pfingstliche Sprachenwunder ist letztlich die Erfüllung der Verheißung des Propheten Joel und erst recht der Verheißung Jesu. Es erneuert sich da, wo wir als Christen eine Sprache sprechen, die von allen verstanden wird. Und dies ist die Sprache der Liebe.

Von daher hat die Feier des Pfingstfestes auch immer etwas mit dem Erleben der Liebe Gottes durch uns Christen zu tun.

Fast drei Jahre liegt nun die erste sogenannte EU-Osterweiterung zurück, eine zweite gab es zu Beginn dieses Jahres. Aber sollten wir nicht lieber von einer Wiedervereinigung Europas sprechen? Sind nicht die christlichen Wurzeln Europas nur durch eine gewaltsame Spaltung des europäischen Kontinents in zwei weltanschaulich unterschiedlich ausgerichtete, waffenstarrende Blöcke getrennt gewesen? Mit der Überwindung der Spaltung Europas eröffneten sich für Millionen von Menschen neu Horizonte und Möglichkeiten.

Das Thema der diesjährigen Renovabis-Pfingstaktion richtet sich auf Ehe und Familie im Osten Europas und lautet: „Einander Halt sein – Ehe und Familie im Osten Europas stärken“.

Nicht von ungefähr wird unser Blick auf die Familien gelenkt, weil dort große Probleme vorherrschen. Nuntius Périsset und Weihbischof Dzyurakh sind eigens aus Rumänien und der Ukraine angereist, um uns von den dortigen Problemen zu berichten.

Natürlich gibt es auch bei uns gerade in den Ehen und Familien große Probleme. Im Osten Europas kommen aber die durch die ehemaligen kommunistischen Systeme bedingten dauerhaften schlechten materiellen Verhältnisse hinzu. Dies führt zur massiven Auswanderung vieler Jugendlicher, zum Zerfall vieler Ehen und Familien.

Viele Straßenkinder verlottern und müssen mühsam aufgefangen und – wenn überhaupt möglich – in die Familien zurück gebracht werden. Dies gilt nicht nur für Rumänien, sondern auch für die Ukraine. Beispielsweise Hunderttausende von ukrainischen Frauen arbeiten in Italien. Die Kinder sind allein zu Hause gelassen, den Gefahren wie Drogen, Alkohol, Gewalt und Aggressivität ausgeliefert. Die Kirche versucht, die christlichen Werte wieder in die Familien zu bringen. Aber wir wissen ja selbst aus den Nachkriegserfahrungen, wie schwer es ist, in äußerster Not Moral zu akzeptieren.

Renovabis versucht in 28 Projektländern katholische Familienzentren zu schaffen und sozial-karitative Familienhilfe zu leisten. Allein im vergangenen Jahr wurden in 25 Ländern Mittel- und Osteuropas fast 900 Projekte mit einer Gesamtsumme von 30 Millionen Euro unterstützt.

Liebe Schwestern und Brüder, es ist allerdings nicht allein die materielle Hilfe, auf die jede Hilfsmaßnahme angewiesen ist, die in den Mittelpunkt dieser Aktion gestellt wird. Es ist vielmehr das dadurch sichtbar werdende Glaubenszeugnis. Durch unsere Aufmerksamkeit, durch unser Wahrnehmen der Probleme osteuropäischer Familien, wird den Menschen pfingstlich erlebbar, dass wir uns vom Geist Gottes leiten lassen. Durch unser Engagement wird deutlich, dass wir ein Europa der Zukunft wollen, das nicht nur als Wirtschafts- und Währungsunion begriffen wird, sondern auch eine Wertegemeinschaft sein muss.

Unser Heiliger Vater, Papst Benedikt XVI., hat uns in seiner Enzyklika „Deus caritas est“ die Bedeutung des Liebeshandelns, des sozialen und karitativen Dienstes als ganz wesentliche Dimension christlicher Existenz von neuem eindringlich vor Augen geführt. Denn es geht dabei um die Zuwendung zum Nächsten aus der inneren Begegnung mit Gott heraus – eine Zuwendung, die sich letztlich in ganz praktischen Werken der Nächstenliebe zeigen muss. Nächstenliebe – so schreibt der Heilige Vater – besteht darin, „dass ich auch den Mitmenschen, den ich zunächst gar nicht mag oder nicht einmal kenne, von Gott her liebe“ (Nr. 18). Umgekehrt wird daraus dann auch ein Weg zu Gott. (Ich zitiere:) „Nur meine Bereitschaft, auf den Nächsten zuzugehen, ihm Liebe zu erweisen, macht mich auch fühlsam Gott gegenüber. Nur der Dienst am Nächsten öffnet mir die Augen dafür, was Gott für mich tut und wie er mich liebt.“ (Ebd.)

Das Wirken des Heiligen Geistes habe ich einmal besonders anrührend erlebt, als ich einige Zeit in einem Haus für geistig und körperlich Behinderte verbrachte. An jedem Tag erlebte ich ein Ritual besonderer Art: Morgens wurden die leichter Behinderten mit kleinen Bussen zu einer Behindertenwerkstatt gefahren und abends zurückgebracht. Der Abschied fiel jedes Mal so aus, als ob die Wegfahrenden auf eine Weltreise gingen. Ebenso herzlich wurden sie am Abend willkommen geheißen. Ein unbeteiligter Zuschauer musste denken, dass sich die Betroffenen über einen langen Zeitraum nicht mehr gesehen hatten. Die Herzlichkeit, die liebkosenden Gesten, die überspringende Freude über das erneute Beisammensein sprang unwillkürlich auf die Betrachter über. Hier war etwas von der pfingstlichen Freude und Begeisterung zu spüren, von der unser heutiges Festgeheimnis kündet.

Lassen auch wir uns davon entzünden! Amen.

(2207/0829)