Umgang mit Schwäche
„Am Umgang mit den Schwächsten der Gesellschaft zeigt sich zu allen Zeiten das humane Potenzial des Christentums“, betonte die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Schwester Dr. Katharina Ganz, in ihrem Referat. Daher müssten Orden Klartext reden und für das verwundbare Leben eintreten. Beispielhaft nannte Ganz den Protestbrief, den 45 Ordensleute im vergangenen November an Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer geschickt und auf diese Weise eine menschenfreundlichere Flüchtlingspolitik eingefordert hatten. „Als Ordensleute haben wir nichts zu fürchten. Wir können und sollen unerschrocken unsere Meinung sagen und unabhängig von politischem und kirchlichem Mainstream unangenehme Positionen vertreten“, sagte Ganz dazu.Die Zuwanderung von Flüchtlingen fordert Ordensgemeinschaften im Bistum. Bruder Peter Reinl von den Würzburger Augustinern berichtete, dass derzeit zwei Syrer als Gäste im Kloster leben und in Münnerstadt eine dezentrale Unterbringung eingerichtet werde. Der Münsterschwarzacher Benediktinerabt Michael Reepen sprach von 38 Plätzen für Flüchtlinge in seiner Abtei. „Wir können uns nicht isoliert von der Welt sehen. Die Krise dieser Zeit ist auch unsere Krise“, sagte er.
Diesen Gedanken teilten die Vertreter der verschiedenen Gemeinschaften. Keiner von ihnen empfahl Abkehr von der Welt als Zukunftsstrategie, sondern Einmischung. Bruder Peter Reinl fragte: „Kümmern wir uns wirklich um Menschen, die seelsorglich durchs Netz fallen?“ Als Bettelorden hätten die Augustiner die Aufgabe, gesellschaftliche Defizite auszugleichen und dabei, wenn nötig, andere Prioritäten zu setzen als die Institution Kirche. Als Beispiel nannte Reinl die Gestaltung der Würzburger Augustinerkirche: eine Kirche ohne räumliche Trennung von Klerus und Besuchern. „Uns ging es um Entgrenzung. Die Grenze zwischen Klerus und Laien – vielleicht der größte Sündenfall der Kirche – wollten wir aufheben.“ Daran knüpfte Bruder Alberto Onofri von der Franziskanischen Gemeinschaft von Betanien in Aschaffenburg an. „Wir stellen uns immer als Bruder vor – egal ob wir Priester sind oder nicht.“
Grenzabbau
Vom Charisma der Gemeinschaft profitierten auch Hausgäste, berichtete Onofri. Diese teilen zeitweise das Leben der Mönche einschließlich ihrer franziskanischen und marianischen Spiritualität. Grenzabbau also auch in Aschaffenburg. Dass die aktuellen Umbrüche in Kirche und Ordensleben, insbesondere Nachwuchsschwierigkeiten, teilweise auch Ratlosigkeit und Verunsicherung hervorrufen, brachte Abt Reepen zur Sprache: „Wir ahnen, aber wir wissen noch nicht. Wir suchen, aber wir finden noch nicht.“ Das Klosterschiff der Zukunft werde eher quer übers Meer fahren, nicht wie der Wellenbrecher geradeaus, prognostizierte er. Eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit schlug Pastoraltheologin Dr. Ute Leimgruber, die sich speziell mit Frauenorden befasst. Sie analysierte das Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae caritatis“, welches das Zweite Vatikanische Konzil 1965 verabschiedet hatte. Das Dekret gehe im Einklang mit der Konzilskonstitution „Lumen Gentium“ davon aus, dass Ordensleute theologisch auf einer Stufe mit Priestern und Laien stehen, erläuterte Leimgruber. An die Stelle der alten Ständehierarchie sei eine positive Wertschätzung der vielfältigen „Charismen“ getreten. Die jeweils eigene Berufung zur Heiligkeit bewusst zu leben, sei somit eine Aufgabe, „die sich jede Ordensgemeinschaft immer wieder in den Mittelpunkt ihrer Selbstvergewisserungen stellen sollte“, so Leimgruber.Ulrich Bausewein
