Würzburg (POW) Ökumene ist kein Gewinn- und Verlustgeschäft, bei dem wie bei Tarifverhandlungen jede Seite etwas gibt und nimmt. Das hat Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand beim ökumenischen Festgottesdienst aus Anlass des 30. Jubiläums des Ökumenischen Zentrums (ÖZ) Würzburg-Lengfeld am Sonntag, 6. November, betont. Ökumene sei nur tragfähig, wenn sie als gemeinsames Wachstum zur Fülle und als gegenseitige Hilfe verstanden werde. Hillenbrand erklärte noch im Gottesdienst seine Absicht, Mitglied im Freundeskreis des ÖZ zu werden: „Nicht nur, um meine bleibende Verbundenheit zu zeigen, sondern weil ich mir von dieser sichtbaren Gemeinschaft mit vielen Weggefährtinnen und -gefährten eine gegenseitige Bestärkung erhoffe, die uns weiter trägt.“
Der Gottesdienst stand unter dem Motto „Ein unzerreißbares Netz ökumenischer Verbundenheit“. In seiner Predigt erklärte Generalvikar Hillenbrand, das Bild vom Netz stehe ursprünglich für das Himmelreich. Alles kirchliche Leben und Mühen um Einheit im Glauben könne im biblischen Sinne daher nur dann ein geistliches Netzwerk sein, wenn deutlich werde: Alle ökumenischen Aktivitäten vollziehen sich vor dem größeren Horizont des Reiches Gottes. Auf die heutige Zeit umgesetzt bedeute das für die Kirchen, das Erbe und den Reichtum ihrer jeweiligen Tradition so zu erschließen, dass die Menschen neu fragen, wer Gott für die Christen sei und was er bedeute.
Dieser Bezug auf die Sendung Jesu für die ganze Welt bleibe für ökumenisches Mühen verpflichtend. „Wir sind dabei wie die Jünger hin und her gerissen zwischen unserer Faszination für Jesus und der Resignation im Blick auf den Erfolg des eigenen Bemühens.“ Ob im Bild vom Netz, vom Senfkorn oder vom Sauerteig: Allen Symbolen sei gemein, dass sie die Spannung zwischen unscheinbaren Anfängen und der Größe dessen zeigten, was Gott vorhabe. „Diese Spannung kann eine Dynamik entwickeln, die auch über Phasen der Resignation hinweg hilft.“
Auch die ökumenische Arbeit kenne solche Spannungen und Zerreißproben. „Es gab Konflikte und Verletzungen, die uns alle sehr geschmerzt haben, auch mich, weil ich einerseits von der katholischen Position überzeugt war und mir andererseits die spürbare Sehnsucht und die fühlbare Enttäuschung vieler Menschen hier nicht gleichgültig sein konnte“, sagte Hillenbrand. Als Generalvikar hatte er 1998 deutlich machen müssen, dass von den theologisch-kirchlichen Voraussetzungen eine gemeinsame Feier des Abendmahls beziehungsweise der Eucharistie noch nicht möglich sei.
Ein Wachsen zur Fülle ist nach den Worten Hillenbrands nur möglich als ein Wachsen in der Erkenntnis der Wahrheit, zugleich verbunden mit der Treue zu gewachsenen Einsichten. In Anlehnung an den Taizé-Gründer Roger Schutz formulierte er: „Unser ökumenisches Denken und Handeln braucht noch weit mehr als bisher die Prägung durch katholische Weite, evangelische Tiefe und orthodoxe Dynamik. Nur dieses Wissen um die gegenseitige Verwiesenheit bewahrt uns vor einem Ghettodenken.“ Die Arbeit im ÖZ habe sich zur Antriebskraft in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK) in Würzburg entwickelt.
„Ökumene besteht nicht in der Rückkehr der jeweils anderen, sondern in der gemeinsamen Umkehr zu Christus“, betonte Hillenbrand. Jesus mache aus Menschen wie andere Menschen für andere. So würden aus vorläufigen, begrenzten Zeitgenossen Vorläufer auf das Endgültige, auf Gott und sein Reich. Hillenbrand sprach den Wunsch aus, dass die verschiedenen Dienste und Charismen, die im ÖZ zur Geltung kommen, die gemeinsame Berufung zur Umkehrgemeinschaft als Grundlage des Glaubens immer neu deutlich machten.
Dem ökumenischen Gottesdienst schloss sich ein Festakt an. Am Samstag, 5. November, diskutierten die Teilnehmer beim Bundestreffen der Ökumenischen Zentren in Deutschland zum Thema „Ökumene am Wendepunkt“. Zu den Referenten zählten unter anderem der Religionssoziologe Professor Dr. Dr. Michael Ebertz (Freiburg), die Kirchenrechtlerin Professor Dr. Sabine Demel (Regensburg) und Dr. Dr. Georg Schütz von der Ökumenischen Centrale (Frankfurt/Main).
(4505/1460; E-Mail voraus)
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