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Lebensader und Untergang

Eine Wassermenge, wie die des Bodensees, werden die zwei Stauseen des Belo-Monte-Projekts überfluten. Ackerland und Regenwald waren die über 500 Quadratkilometer einmal. Bald dient das angestaute Wasser der Energiegewinnung am brasilianischen Rio Xingu.
„Belo monte“ heißt übersetzt: eine schöne Menge. Eine schöne Menge Wasser, Strom – und Zerstörung brachte und bringt das bisher bekannteste Staudammprojekt Südamerikas mit sich. Und am nächsten Zufluss des Amazonas, dem Tapajós, wiederholen sich die Ereignisse gerade erneut.   An seiner Mündung ist der Fluss mit 12 Kilometern breiter als sein Ziel. Fünf Staudämme sollen in den kommenden Jahren am Tapajós und seinem größten Zufluss, dem Jamanxim, realisiert werden.   

Angst vor dem, was kommen kann

Ein Opfer am Ufer wird der kleine Ort Pimental mit seinen 850 Einwohnern sein. Die Siedlung existiert seit 40 Jahren. Wie unzählige andere ist sie aus dem Nichts entstanden. Durch Siedler, die in der Wildnis neu beginnen wollten. Genehmigungen brauchten sie dafür nicht. Pimental wird untergehen, wenn die 60 Meter hohe Staumauer wenige Kilometer entfernt errichtet wird. Beim Damm São Luiz steht nur noch die Versteigerung der Baulizenz im Februar 2016 aus. Ob Proteste noch helfen? „Mein Mann ist so verzweifelt, dass er am liebsten mit dem Staudamm untergehen möchte“, beschreibt Joaquina de Olivera die Situation. Die Dorflehrerin spricht mit ihren 250 Schülern oft über das Wasserkraftwerk und seine Folgen. „Die älteren interessiert das kaum. Manche bekommen von ihren Eltern auch erzählt, wie schön die neuen Häuser werden, die sie als Entschädigung erhalten.“ Mit ihnen diskutiere sie lange und versuche ihnen die Illusion zu nehmen. Die jüngeren Schüler hingegen seien sehr interessiert und mit Blick auf die Natur besorgt. Das Dorf ist gespalten: ein Teil glaubt den Versprechungen des Staudammkonsortiums, die anderen gingen auf Wallfahrten, um für den Erhalt der Heimat zu beten. „Mittlerweile reden wir im Ort nicht mehr offen über das Thema. Die Stimmung ist zu aufgeheizt.“
Wie ein Film spielt sich die Vorstellung vom Staudamm ständig in seinem Kopf ab. Er sieht die große Mauer und wie er vor den Fluten wegrennen muss. Edmilson Ribeiro Azevedo lebt seit 44 Jahren in Pimental. Seit 34 Jahren ist er Kirchenpfleger der kleinen Ortskirche São Sebastiao. Und seit drei Jahren auch Mitglied der Bewegung der Staudammbetroffenen. Gemeinsam mit der hiesigen Landpastoral hilft die Bewegung den bedrohten Menschen vor Ort. „Der Fluss ist unser Kühlschrank mit offenen Türen. Haben wir nichts zu Essen zuhause, dann gehen wir einfach fischen", erklärt Ribeiro. Es sei ein ruhiges und schönes Leben hier, „das Paradies“. Einst hätten sie das Land den Indios abgerungen, heute seien sie mit den benachbarten Munduruku verbündet – gegen die Baufirmen und die Regierung. Doch sie besitzen keine Titel für ihr Land, bauen weder Kaffee noch Kakao an. Nach den Regeln der Gegenseite steht ihnen kaum etwas als Entschädigung zu.   Spricht man mit Vertretern der regionalen Comissão Pastoral da Terra, der Landpastoral, wie João Carlos Portes, Pfarrer von über 40 Gemeinden der Region, wird deutlich, wem die Bauprojekte in der Amazonasregion einzig nutzen: Die Energie- und Baufirmen schöpfen den Profit ab. Die Regierung profitiert von der Korruption. Den Strom braucht der entfernte Bergbau. Die Wasserwege dienen dem Transport von Getreide für den Export. „Für die Bevölkerung bleibt nichts übrig“, betont der Priester.  Der Bau der Staudämme sei jedoch nicht das Problem, sondern die Art und Weise der Umsetzung. „Wie ein Traktor rollen Regierung und Firmen über Natur und Menschen.“  

„Die Geister werden das nicht zulassen“

Die Ureinwohner sind ein Ass im Ärmel der Gegner des Staudamms. Die Indigenen haben ein Einspruchsrecht, sobald ihnen Land zugesprochen worden ist. Doch noch müssen die Munduruku warten. Derweil sind Tänze, Lieder, die Jagd und besonders die spirituelle Verbindung zum Fluss für Häuptling Valto Datie die Eckpunkte seines Protests. „Der Staudamm wird nicht kommen. Noch nie habe ich von etwas so Schrecklichem gehört und unsere Geister werden das nicht zulassen.“ Der Stammesführer klingt nicht ganz überzeugt von der spirituellen Kraft, aber er weiß, was ihn und sein Dorf ganz greifbar retten könnte: die Demarkierung. Das Gebiet seines Stammes und der benachbarten Dörfer wartet auf die Ausweisung als indigener Wohnraum. „Keiner weiß, warum die Demarkierung so lange dauert. Alle erforderlichen Schritte wurden eingeleitet und jetzt schieben sich die Behörden und Organisationen gegenseitig den Ball zu.“ Ohne deren Zustimmung wäre ein Bau auf dem Gebiet der Indios fast unmöglich.   Die Chance der Indios bestätigt auch die Sprecherin im Büro des „diálogo tapajós“, Sandra Siqueira. „Falls die Demarkierung das Baugebiet betrifft, dann wird der Staudamm dort nicht gebaut.“ Die Dialogeinrichtung im Städtchen Itaitube, für die Sandra spricht, ist eine Marketingfirma, ein Vermittler, der als dritte Partei zwischen den betoffenen Flussbewohnern und dem Zusammenschluss an Energiefirmen steht, die Damm und Wasserkraftwerk bauen wollen.   

Die Folgen sind nicht abschätzbar

„Wir sind seit über drei Jahren hier und besuchen die Menschen vor Ort. Die Gespräche sind nicht immer einfach. Zuerst lassen wir die Betroffenen ihre Sorgen und Ängste äußern. Dann informieren wir über die Folgen und die Entschädigung, die von den künftigen Betreibern angeboten wird.“ Individuelle Entschädigungen seien möglich, sogar bei denen, die keine Landtitel hätten, die nichts vorweisen können. Am häufigsten wünschten sich die Flussbewohner eine Umsiedlung an einen gleichwertigen Ort mit neuen Häusern, asphaltierten Straßen, Schule und Krankenversorgung. „Bis zur Entscheidung  sollen alle weitermachen wie bisher. Wer sein Haus vergrößert oder neues Land bebaut, dessen Entschädigung wird neu berechnet.“   Eine 15000 Seiten starke Studie hat das Konsortium der Firmen erstellt, das sich für den Bau beworben hat. 15000 Seiten Machbarkeit mit Folgenabschätzung für Mensch und Umwelt, mit Statistiken zu Notwendigkeiten und Entschädigungen. Auf Umweltpapier und mit ansprechendem Layout wurden die Daten vom „diálogo tapajós“ in ein handliches Format umgesetzt. Aufgrund von fehlerhaften Daten verzögere sich die Versteigerung der Baulizenz. Auch eine Zusage des Umweltministeriums stehe noch aus. Die Folgen für die Natur ließen sich kaum abschätzen. Siqueira zeigt auf Klimaanlage und Computer im Besprechungsraum: „Ich komme aus dieser Gegend und weiß nicht, ob es richtig ist, so viel zu zerstören, um diese Dinge hier zu haben.“   Johannes Schenkel    

Das Recht ströme wie Wasser

Unter dem Leitwort „Das Recht ströme wie Wasser“ (Amos 5,24) stellt die ökumenische Fastenaktion 2016 die Sorge für „Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung“ am Beispiel Brasilien in den Mittelpunkt. Das bischöfliche Hilfswerk Misereor kämpft dabei gemeinsam mit dem brasilianischen Rat der christlichen Kirchen (CONIC) sowie Partnern in São Paulo und am Fluss Tapajós im Amazonasbecken für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte. Während der private Konsum in den letzten Jahren in Brasilien für breitere Schichten spürbar angestiegen ist, blieb die Verwirklichung von Bürgerrechten auf der Strecke. Die Fastenaktion wird am 14. Februar in Würzburg eröffnet. Ein mehrtägiges Programm schließt sich an. Seit 1989 macht die Aktion auf die Verantwortung der Industriestaaten für Länder des Südens aufmerksam.