Würzburg/Koszalin (POW) Auf 70 Priesterjahre blickt der Ehrendomherr an der Kilianskathedrale von Würzburg und Altbischof der polnischen Diözese Koszalin/Köslin, Ignacy Jeż (92), zurück. Am 20. Juni 1937 empfing Jeż in Kattowitz die Priesterweihe. Von 1942 bis 1945 war er als polnischer Priester im Konzentrationslager Dachau inhaftiert und setzte sich danach für die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen ein. Mit einem Hochamt im Dom zu Koszalin feiert Bischof Jeż das Jubiläum am Sonntag, 10. Juni, um 13 Uhr. Die Diözese Würzburg und das Domkapitel zu Würzburg vertritt Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand bei der Feier in Pommern.
Jeż wurde am 31. Juli 1914 im Bezirk Mielec in der Diözese Tarnów geboren und wuchs in Kattowitz auf. Am 20. Juni 1937 weihte ihn Bischof Stanislaw Adamski in Kattowitz zum Priester. Danach wirkte Jeż als Kaplan in Hajduki Wielkie. Am 17. August 1942 verhaftete ihn die Gestapo. Grund: Er wurde beschuldigt, eine Kundgebung organisiert zu haben – in Form eines Trauergottesdienstes für den in Dachau ermordeten Dekan Józef Czempiel, den Pfarrer seines Wirkungsortes. Am 7. Oktober 1942 wurde Jeż in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert und blieb dort bis zur Befreiung durch die Amerikaner am 29. April 1945. Schreckliches habe er in Dachau gesehen: Schreie, Schläge, Fußtritte, Menschenversuche, Verbrechen, Kranke, Gequälte, Gehängte und Leichen. „Wenn man alles zusammennimmt, waren die Jahre in Dachau schrecklich. Es gab sehr viel Böses, aber ich kann nicht sagen, dass es nichts Gutes gegeben hätte. Das wäre nicht gerecht“, sagte er rückblickend.
Nach dem Krieg betreute Jeż zunächst verschleppte und gefangene Polen in Deutschland, die nicht sofort zurück in die Heimat konnten. Erst im Mai 1946 kehrte er nach Polen zurück und wirkte als Seelsorger, Religionslehrer und Direktor eines Knabenseminars. 1960 wurde er Weihbischof in Gorzów/Landsberg an der Warthe. Kardinalprimas Stefan Wyszyński weihte ihn am 5. Juni 1960 im Dom von Gorzów zum Bischof. 1962 nahm Bischof Jeż am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. 1972 wurde er Bischof der neue Diözese Köslin-Kolberg an der polnischen Ostseeküste. 20 Jahre setzte er sich dort für den Aufbau der Diözese ein und kämpfte für die Errichtung von rund 100 Pfarrgemeinden. 1992 wurde er von diesen Aufgaben aus Altersgründen entpflichtet. Auch im Ruhestand ist Bischof Jeż aktiv und gibt Exerzitien für polnische Priester im Ausland. Im Bistum Köslin übernimmt er bis heute Firmungen. Bischof Dr. Paul-Werner Scheele ernannte ihn 2002 auf Vorschlag des Domkapitels zu Würzburg zum Ehrendomherrn an der Kathedralkirche zu Würzburg. Die Bundesrepublik Deutschland ehrte das Lebenswerk des Bischofs im Jahr 2005 mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Jeż gilt als ein Brückenbauer, der Deutsche und Polen nach einer leidvollen Geschichte einander näher brachte und bringt. Schon während der Haft in Dachau stellte er fest, dass nicht alle Deutschen gleich sind und es deutsche Häftlinge gibt, „die wie wir Polen gelitten haben“. Fortan setzte er sich für die Aussöhnung zwischen den beiden Völkern ein. Nicht die Vergangenheit sei aufzurechnen. Vielmehr seien Perspektiven für eine gemeinsame Zukunft in der Kraft des verbindenden Glaubens aus einer vertieften Erinnerung heraus zu entwickeln. Was sich die polnischen und die deutschen Bischöfe 1965 gegenseitig zusprachen, klingt im Leben von Bischof Jeż bis zum heutigen Tag fort: „Wir strecken unsere Hände zu Ihnen hin, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung“, schrieben die polnischen Bischöfe am 18. November 1965 während des Konzils an die deutschen Amtsbrüder. Wenige Tage später antworteten diese: „Mit brüderlicher Ehrfurcht ergreifen wir die dargebotenen Hände. Der Gott des Friedens gewähre uns auf die Fürbitte der Königin des Friedens, dass niemals wieder der Ungeist des Hasses unsere Hände trenne!“
Zum 70. Priesterjubiläum haben Generalvikar Hillenbrand und Dr. Marian Subocz die Erinnerungen des Bischofs an die Zeit im Konzentrationslager Dachau neu und erweitert herausgegeben. Das im Echter Verlag erschienene Buch „Licht und Dunkel, preiset den Herrn!“ war in kurzer Zeit vergriffen. Die Neuauflage ist ergänzt durch eine Erinnerung an Karl Leisner, durch ein Interview, in dem Bischof Jeż seine Intentionen zusammenfasst, durch einen Auszug aus der gemeinsamen Erklärung der deutschen und polnischen Bischöfe zum 40. Jahrestag des historischen Briefwechsels von 1965 sowie durch den Text der Predigt, die Friedrich Kardinal Wetter am 1. Mai 2005 zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau gehalten hat. „Rastlos und restlos war Bischof Jeż für die Verkündigung der Frohen Botschaft unter oft schwierigen Umständen tätig; rastlos und restlos hat er sich auch für Versöhnung zwischen Polen und Deutschen aus christlichen Geist heraus eingesetzt“, schreiben die beiden Herausgeber.
Die Neuauflage des Buchs „Licht und Dunkel, preiset den Herrn!“ ist im Generalvikariat, Bischöfliches Ordinariat Würzburg, Domerschulstraße 2, in Würzburg erhältlich. Der Nachdruck kostet fünf Euro.
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